Fragen stellen ist der Schlüssel

Am 26. November fand in Leipzig die zweite Fachkonferenz Integrierte Forschung statt. Die Mitglieder dieses neu entstandenen Netzwerks nutzten den Rahmen, um intensiv darüber zu diskutieren, wie Forschung interdisziplinär und projektübergreifend gelingen kann und welche Rahmenbedingungen dafür nötig sind.

Gruppenbild
Personen v.l.n.r.: Mone Spindler (IZEW Universität Tübingen), Axel Benning (FH Bielefeld), Brunhilde Steckler (FH Bielefeld), Arne Manzeschke (EVHN Nürnberg), Bruno Gransche (Universität Siegen), Andreas Bischof (Technische Universität Chemnitz), Katrin Nostadt (BMBF), Julian Stubbe (Projektträger VDI/VDE-IT) © Arne Berger HS Anhalt (CC BY-NC-SA)

 Der industrielle Charme der VDI GaraGe im Leipziger Stadtteil Plagwitz diente am 26. November 2019 als gelungener Rahmen der zweiten Fachkonferenz Integrierte Forschung. Die Integrierte Forschung beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel von Mensch und Technik und betrachtet insbesondere ethische, rechtliche und soziale Aspekte der Technologieentwicklung. Die Idee: Der Blick auf gesellschaftliche Auswirkungen neuer Technologien – seien es unerwünschte Folgen von Technikeinsatz oder auch Chancen, die die Entwicklung neuer Technologien mit sich bringen – sollte von Anfang an mit betrachtet werden und somit ein Bestandteil der Technikentwicklung selbst werden.

Dr. Andreas Bischof von der TU Chemnitz als Organisator der Konferenz und Frau Katrin Nostadt vom zuständigen Referat Mensch-Technik-Interaktion im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) begrüßten die Anwesenden der Konferenz. Nostadt hob besonders hervor, wie sehr sie die Teilnahme von Vertretern verschiedener Disziplinen an der Veranstaltung freue. Das Interesse von Wissenschaftlern ganz unterschiedlicher Fachrichtungen zeige den hohen Stellenwert, den die Integrierte Forschung innehabe. „Immer mehr Wissenschaftler – nicht nur Ethiker – beschäftigen sich mit den Fragen der Integrierten Forschung. Deswegen ist es wichtig diesen Weg weiter zu beschreiten“, betonte Nostadt. Auch in Zukunft werde die Integrierte Forschung im Referat Mensch-Technik-Interaktion ihren hohen Stellenwert behalten, da sie eine Schlüsselrolle einnehme. Das gelte auch im Rahmen des neuen Forschungsprogrammes, für das momentan Schwerpunkte gesammelt würden.

Sammelband ist Spiegel geleisteter Arbeit

Nostadt begrüßte auch das Erscheinen des Sammelbandes: „Integrierte Forschung. Das geteilte Ganze. Horizonte Integrierter Forschung für künftige Mensch-Technik-Verhältnisse.“ Der Sammelband sei ein Spiegel der Arbeit des Netzwerks. Viele der Beitragenden würden bereits vom BMBF gefördert und allein am Vorwort von Bundesministerin Anja Karliczek könne man sehen, wie relevant die Integrierte Forschung sei.

Sammelband „Integrierte Forschung. Das geteilte Ganze.“

Der Sammelband zur Integrierten Forschung wird herausgegeben von Prof. Arne Manzeschke von der Evangelischen Hochschule Nürnberg und Dr. Bruno Gransche von der Universität Siegen. Das Ziel des Buches ist es, einen Überblick über die Integrierte Forschung im Bereich „Mensch-Technik-Interaktion“ zu liefern und neue Aspekte und Themen darzulegen. Im ersten Teil des Sammelbandes stehen programmatische, grundlegende Überlegungen im Vordergrund, was eine Integrierte Forschung sein kann. Der zweite Teil des Sammelbandes widmet sich Praxisbeispielen.

Link zur Buchbeschreibung

Die beiden Herausgeber des Sammelbandes zur Integrierten Forschung, Prof. Arne Manzeschke von der Evangelischen Hochschule Nürnberg und Dr. Bruno Gransche von der Universität Siegen, stellten im Anschluss gemeinsam ihr Buch vor und erläuterten die Frage, wie der Titel „Das geteilte Ganze“ zustande gekommen ist. Als Erklärung führte Dr. Gransche an, es gehe zwar um das Ganze, das heißt Relationen zwischen Problemen sollen betrachtet werden, aber trotzdem müssten die Probleme auch immer einzeln und geteilt betrachtet werden. Es gehe also um das Ganze, aber das geteilte Ganze.

Grundlegende Fragen bestimmen die Diskussion

Im Anschluss wurde der Sammelband aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln kommentiert. Prof. Karen Joisten von der Technischen Universität Kaiserslautern stellte sich inhaltlich hinter die Beiträge der Autoren, während Prof. Stefan Selke von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Furtwangen die Autoren aufrief, noch mutiger zu werden. Fragen der Integrierten Forschung sollten einem Projekt in Prof. Selkes Augen stets vorgeschaltet werden, um gesellschaftsgestaltend denken und handeln zu können.

Podiumsdiskussion
Podiumsdiskussion mit (v.l.n.r.) Prof. Stefan Selke (Hochschule für Angewandte Wissenschaften Furtwangen), Dr. Bruno Gransche (Universität Siegen), Prof. Arne Manzeschke (Evangelische Hochschule Nürnberg), Prof. Karen Joisten (Technischen Universität Kaiserslautern)© Arne Berger HS Anhalt (CC BY-NC-SA)

 Um grundlegende Fragen wie „Was kann eine Integrierte Forschung leisten? Wie können wir die Gesellschaft weiter vorantreiben? Was sind denkbare Veränderungen im Prozess der Technikentwicklung?“ ging es dann auch in der anschließenden Podiumsdiskussion zwischen den Herausgebern des Sammelbandes, den Kommentatoren und dem Publikum.

Internationale Beispiele für erfolgreiche Integrierte Forschung

Als Sprecher der Keynote war Associate Prof. Erik Fisher von der Arizona State University nach Leipzig eingeladen. Fisher forscht im amerikanischen Kontext zum Thema der Integration gesellschaftlicher Perspektiven und gab zunächst einen Überblick über die Literatur zum Thema. Anschließend referierte er über einige internationale Beispiele für eine erfolgreiche integrierte Forschung.

Fisher selbst arbeitet im Projekt „Socio-Technical Integration Research“ (STIR), bei dem untersucht wird, wie eine Integrierte Forschung Technologien verbessern kann. Dies soll durch den intensiven Austausch und regelmäßige Gespräche mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über ihre Projekte gelingen. Unsicherheiten sollen auf wöchentlicher Basis besprochen werden.

Erik Fisher
Sprecher der Keynote war Associate Prof. Erik Fisher von der Arizona State University© Arne Berger HS Anhalt (CC BY-NC-SA)

Fragen stellen bewirkt Veränderungen

Fisher erläutert, dass sich alleine durch das Stellen von Fragen Dinge ändern können. STIR-Mitarbeiter würden niemals Änderungen an einer Technologie vorschlagen. Die Änderungen entstünden von alleine, weil die Befragten über ihre eigene Arbeit reflektierten, mit der Zeit ihre Werte weiterentwickelten und so letztlich auch ihre Technologien verbesserten. Obwohl für diesen Prozess meistens etwa 12 Wochen nötig seien, verlangsame die STIR-Methode nicht den Prozess der Entwicklung.

Die STIR-Methode kann nach Fishers Angaben in jeder Umgebung oder Fachrichtung angewendet werden. Der Ansatz ist so erfolgreich, dass er mittlerweile in über zwanzig Labors auf drei Kontinenten eingesetzt wird. Insgesamt waren sich die Teilnehmer der Fachkonferenz einig, dass der Ansatz der Integrierten Forschung mit fortschreitender Technikentwicklung für unsere Gesellschaft immer wichtiger werden wird und das eine Vernetzung aller Beteiligten entscheidend ist.

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