Neu in der Förderung: Mensch-Technik-Interaktion für digitale Souveränität

Wie können wir als Nutzende digitaler Systeme und Dienste dazu befähigt werden, mit unseren persönlichen Daten reflektierter umzugehen? Diese Frage steht im Zentrum der kürzlich angelaufenen BMBF-Fördermaßnahme „Mensch-Technik-Interaktion für digitale Souveränität“. Am 2. Juni trafen sich rund 90 Forschende zum Auftakttreffen - aufgrund der aktuellen Corona-Schutzmaßnahmen im virtuellen Plenum.

Auftakttreffen DISO
© guvendemir / istockphotos

 Zur Eröffnung der Webkonferenz unterstrich Katrin Nostadt vom Referat „Interaktive Technologien für Gesundheit und Lebensqualität“ im BMBF, wie wichtig der neue Förderschwerpunkt gerade in dieser Zeit der weltweiten Pandemiekrise sei: „Derzeit häufen sich in den Medien und im öffentlichen Diskurs Schlagworte wie elektronische Patientenaktie, Datenspende oder Positionsbestimmung durch Apps. Dabei nimmt der Wunsch nach einem transparenten und vom Nutzenden kontrollierbaren Umgang mit den eigenen Daten enorm zu“, so Katrin Nostadt. Es bestehe demnach Handlungsbedarf, verlässliche und nutzerfreundliche Lösungen für den Umgang mit Daten zu finden.

Grafik DISO
Live-Umfrage der Teilnehmenden beim Auftakttreffen DISO © VDI/VDE-IT

Lücke im Datenschutz schließen

Gegenwärtig hat sich trotz des Inkrafttretens der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vor zwei Jahren noch kein nutzerfreundlicher Prozess etablieren können. Dass die DSGVO auch im Umgang mit smarten Applikationen noch nicht zu einem Umdenken geführt hat, zeigte eine beim Auftakttreffen durchgeführte Blitzumfrage: Die Mehrheit (56 %) der Teilnehmenden gab an, sie würden sich vor der Neuinstallation einer App die langen Einwilligungserklärungen zur Datennutzung nicht näher durchlesen. Es wird demnach ohne Hintergrundwissen zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten die Zustimmung erteilt. Hier setzt die BMBF-Fördermaßnahme DISO an: Nutzende sollen durch innovative Lösungen dazu befähigt werden, mit Daten selbstbestimmt und kompetent umzugehen. Zentrale Fragen im Förderschwerpunkt DISO sind deshalb: Wie kann der Dateneigentümerin und dem Dateneigentümer deutlich gemacht werden, welche Daten bei der Nutzung digitaler Anwendungen wie Apps oder „smarten“ Geräten erfasst werden? Wie genau werden sie erfasst und verarbeitet? Werden Sie an Dritte weitergegeben? Und wo kann ich sie einsehen? „Digitalkompetenz“ kann zum Beispiel durch dialogische Lernprogramme gestärkt werden, mit neuen nutzerzentrierten Formen digitaler Interaktion. Welche Ansätze dabei für mehr Datenkontrolle und Datensouveränität beim Anwendenden sorgen können, präsentierten die insgesamt zehn DISO-Forschungsverbünde in ihren Kurzvorträgen im Rahmen der Auftaktveranstaltung.

Claudia Müller-Birn
Prof. Dr. rer. nat. Claudia Müller-Birn, Head of Research Group Human-Centered Computing (HCC) Freie Universität Berlin, Institute of Computer Science; Projektkoordinatorin WerteRadar © Freie Universität Berlin / Frank Woelffing
„Digitale Souveränität kann nur gelingen, wenn ich mir meiner persönlichen Werte bezüglich der Datenweitergabe bewusst bin und diese kritisch reflektiere. Genau hier setzt unser Projekt WerteRadar an, in welchem wir den traditionellen Prozess der Datenweitergabe in ein interaktives Reflexionssystem übersetzen. Durch Anwendung von Differential Privacy auf Gesundheitsdaten erforschen wir das Spannungsfeld zwischen dem individuellen Wunsch nach hohem Datenschutz auf der einen und dem gesellschaftlichen Mehrwert für eine datengetriebene individualisierte Medizin auf der anderen Seite.“ Prof. Dr. rer. nat. Claudia Müller-Birn

Forschung mit Menschen

Forscherinnen und Forscher im Projekt A-DigiKomp entwickeln beispielsweise Micro Games, mit denen Jugendliche spielerisch etwas über Informationssicherheit und rechtliche Rahmenbedingungen im Netz lernen können. Im Projekt ePA-Coach setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf einen dialogbasierten Avatar-Ansatz, um älteren Menschen zu einer souveränen Verwaltung ihrer Patientendaten zu verhelfen. Wer zukünftig wissen möchte, welche Daten die eigenen Wearables verarbeiten, wird sich dies mit der im Projekt InviDas entwickelten, interaktiven Datenvisualisierung ansehen können. Das Team von UsableSecAtHome widmet sich der Datennutzung im Bereich Smart Home: Mithilfe von Augmented Reality Technologie (AR) wird transparent gemacht, welche persönliche Daten im digitalen Smart Home genutzt und welche an Dritte weitergegeben werden. Eine außerordentliche Rolle bei allen Forschungsprojekten spielen partizipative Methoden, bei denen die zukünftigen Anwenderinnen und Anwender von Anfang an in den Entwicklungsprozess der Innovationen eingebunden werden.

Detailinformationen zu den Forschungsprojekten der Bekanntmachung DISO.

Rainer Malaka
Professor Rainer Malaka© Universität Bremen / Rainer Malaka
„Digitale Souveränität heißt, dass die Menschen die Hoheit über ihre digitale Daten haben und dass ohne ihr Wissen Dritte keine Daten über Aufenthaltsort, Verhaltensweisen oder Kaufverhalten sammeln oder auswerten.  Im Projekt UsableSecurity@Home wollen wir Nutzerinnen und Nutzern von Smart Home Systemen in ihren eigenen vier Wänden zeigen, welche Geräte Daten erfassen, miteinander vernetzt sind und mit Diensten außerhalb des Haushalts kommunizieren. Mit besserer Information können wir dafür sorgen, dass die vielen Helfer unser Leben besser machen, ohne dass wir unsere Privatsphäre aufgeben.“ Professor Rainer Malaka

Synergien nutzen durch Transfer und projektübergreifende Kommunikation

Forschungsbegleitend fördert das BMBF das Netzwerk „Digitale Souveränität“. Ziele sind ein intensiver Austausch zwischen den DISO-Projekten und das Teilen sowie Diskutieren von Erkenntnissen, technologischen Ansätzen und Testdaten. Für den partizipativen Forschungsansatz stellt das Netzwerk Dialogformate für Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung. Geleitet wird das Netzwerk durch die GI und Algorithm Watch. Wissenstransfer bedeutet hier, wichtige Aspekte der Einzellösungen zu bündeln und in die Öffentlichkeit zu bringen. Kommuniziert werden sollen Erkenntnisse und Empfehlungen zur Wissensvermittlung, Entscheidungsfindung und Motivation für einen reflektierten Umgang mit personenbezogenen Daten.

Weitere Details zur Vision und Mission des Netzwerks lesen Sie im Interview mit Elisabeth Schauermann, Projektkoordinatorin der GI des Netzwerks Digitale Souveränität.

Austausch zu wichtigen Fokusthemen

Im Nachgang der Projektvorträge ermöglichten vier Workshops Austausch zu projektübergreifenden Themen. Ein Workshop beleuchtete dabei Formate für den Informationsaustausch sowie wichtige Themenfelder der Fördermaßnahme. So ist Ziel der Vorhaben beispielsweise eine gemeinsame Definition von „Digitaler Souveränität“. Im Workshop zur Wissenschaftskommunikation wurden Instrumente vorgestellt und diskutiert, die für Sichtbarkeit der Forschungsvorhaben und Themen des Netzwerks Digitale Souveränität sorgen können – darunter Social Media Kommunikation sowie die Einbindung wichtiger Multiplikatoren. Die Möglichkeiten der Nutzerpartizipation interessierten die Teilnehmenden in einem weiteren Themenworkshop. Hierbei ging es insbesondere um die aktuellen Herausforderungen durch die Covid19-bedingten Restriktionen wie Kontakteinschränkungen. Synergien erhoffen sich die Projektbeteiligten durch den projektübergreifenden Austausch von „Best Practices“ und Erkenntnisse im partizipativen Prozess. Ein vierter Workshop widmete sich schließlich den organisatorischen Fragestellungen der Forschungsvorhaben wie das Rekrutieren von Akteuren aus der Wirtschaft als strategische Partner.

Weitere Informationen:

Förderbekanntmachung „Mensch-Technik-Interaktion für digitale Souveränität (DISO)