Zukunftswerkstatt: Transferabilität in der Pflegerobotik

Wie lassen sich Ergebnisse von Forschungsprojekten in der Pflegerobotik in die Anwendung bringen? Dieser Frage widmete sich die Zukunftswerkstatt zur „Transferabilität von Projektergebnissen robotischer Assistenzsysteme in der Pflege“.

BeBeRobot, das Begleitprojekt im Rahmen der Bekanntmachung „Robotische Systeme in der Pflege“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hatte im Oktober 2023 zur abschließenden digitalen Forschungswerkstatt eingeladen. Im Fokus standen Möglichkeiten des Transfers der Forschungserkenntnisse in die Praxis. Diskutiert wurde, wie sich hierfür passende institutionelle und einrichtungsrelevante Wege finden lassen. Expertinnen und Experten aus der medizinischen und pflegewissenschaftlichen Forschung, der Institutions-, Projekt- und Technikberatung sowie aus dem unmittelbaren Versorgungsbereich der Pflege stellten ihre Erfahrungen und mögliche Transferwege vor. Dazu gehörten z. B. verschiedene Antragsverfahren beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-SV) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie mögliche strategische Ausgründungen, Start-ups und sonstige Gründungen von Entwicklungskonglomeraten.

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© Pflegewerk Berlin

Beratung des Bfarm

Marius Greuèl vom Projet ArNe läutete die Veranstaltung ein mit seinem Vortrag über die wissenschaftliche und verfahrenstechnische Beratung des BfArM zur Implementierung innovativer technischer Lösungen in die pflegerische Versorgung. Er betonte, dass die Beratung der erste Schritt auf dem Weg der Antragstellung für eine gesetzlich vorgeschriebene Entwicklung und Zulassung als Medizinprodukt sei. Er wies auch auf die Besonderheiten bei der Zuordnung zu einer Produktgruppe und die Abgrenzung der Produktgruppen 50-54 im Pflegehilfsmittelverzeichnis hin.

Nutzen und Implementierung von Pflegetechnologien

Prof. Dr. Jürgen Zerth von der Katholischen Universität Eichstätt referierte über „Technologien in der Pflege – zur nicht einfachen Diskussion um Nutzen und Implementierungsbedingungen“. Er beleuchtete dabei Bemessungskriterien für den pflegerischen Nutzen einer Innovation. Gegenüber Pflegerobotern herrsche bei Pflegefachpersonen wegen ihres hohen Automatisierungsgrads eine große Skepsis, so Zerth. Befürchtet würde, dass Roboter unterschätzt werden und mit ihrem Potenzial künftig noch weitaus mehr Raum in der Praxis einnehmen könnten. Forschende prüften deshalb das Potenzial der Anwendbarkeit einer Pflegetechnologie in der Praxis auf drei verschiedenen Ebenen: Auf der Mikroebene testen sie deren Alltagstauglichkeit und Praktikabilität im jeweiligen Setting. Falls positiv, erfolge auf der Mesoebene die Überprüfung der Skalierbarkeit und Übertragbarkeit der Innovation in größere Zusammenhänge. Auf der Makroebene prüften die Forschenden dann die Regelversorgungstauglichkeit – also die Möglichkeit, die Technik ins Gesundheitssystem zu implementieren.

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© AdaMeKoR/DFKI 2022

Wirtschaftliche Verwertung von Forschungsprojekten

Stefan Petzolt vom Institut für Innovation + Technik (iit) der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH informierte über die „Erfolgsfaktoren wirtschaftlicher Ergebnisverwertung bei F&E-Projekten“. Innovativ sei eine Erfindung immer erst dann, wenn sie sich am Markt durchgesetzt habe. Laut Petzolt sei die wirtschaftliche Verwertung von Forschungsergebnissen bereits in frühen Projektphasen möglich. Zum Beispiel könnten Forschende schon während der Technologieentwicklung Auftragsforschung anbieten. Während der Produktentwicklung ließen sich Lizenzen vergeben oder auch die Erfindung verkaufen. Im Rahmen der Markteinführung könnten das Angebot erweitert, die Prozesse geändert, ein neues Geschäftsmodell entwickelt, eine Beteiligung eingegangen oder eine Gründung angestrebt werden.

Der Erfolg der Verwertung von Forschungsergebnissen, so Petzolt, sei von deren früher Berücksichtigung in der Konzeptionsphase abhängig. Die Patientinnen und Patienten gehörten dabei stets in den Mittelpunkt der Betrachtung. Meist konzentriere man sich bei der Frage nach der Verwertung auf die technische Realisierbarkeit einer Lösung. Laut Petzolt sollten im Vorfeld weitere Fragen beantwortet werden: Gibt es ein Problem, das es zu lösen gilt? Löst meine Idee das Problem? Wollen die Nutzenden meine Idee? Können wir die Lösung organisatorisch realisieren? Ist die Lösung wirtschaftlich tragfähig? Welche Verwertungswege will ich verfolgen? Warum will ich überhaupt verwerten? Wer soll verwerten? Wo soll verwertet werden?

In der Pflege würde die Frage nach den Nutznießenden einer Innovation oft nur oberflächlich beantwortet. Auch sei aus seiner Sicht die Zielgruppe häufig noch zu ungenau definiert oder sehr heterogen. Das wirke sich auch konzeptionell aus. Das Problem sollte erst klar identifiziert sein, bevor an der Lösung gearbeitet wird. Die zweite wichtige Frage sei die Finanzierung der Verwertung. In der Pflege sei diese Frage komplexer als bei typischen Robotikanwendungsfeldern. Daher sollte idealerweise bereits bei der Entwicklung ein Partner einbezogen werden, der an der Verwertung interessiert ist. Eine Durchdringung des Konsumgütermarkts sei zudem oftmals leichter als das Geschäft mit Geschäftskunden.

Petzolt empfiehlt eine Reihe von Leitfäden für die wirtschaftliche Verwertung von Forschungsprojekten.

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© LMU Klinikum

Ärztliche Sicht auf die Evaluation technischer Innovationen

Prof. Dr. Wolfgang Pommer von der Charité Universitätsmedizin Berlin berichtete über „Praxiserfahrungen aus Evaluationsprojekten zur Nutzenbewertung aus ärztlicher Sicht“. Er informierte über seine Erfahrungen bei der Markteinführung der Lindera-App - einer digitalen Pflegeanwendung zur Sturzprophylaxe. Zur Anerkennung als Digitale Gesundheitsanwendung (DiGa) war hier eine umfangreiche Nutzenbewertung notwendig. Neben Akzeptanz- und Nützlichkeitsstudien seien für die Markteinführung auch Finanzierungskonzepte erforderlich gewesen. Letztlich haben die Zulassungsgremien dann das letzte Wort. Daher riet er, das BfarM während der Markteinführung in die Planung einzubeziehen.

Antragsteller z. B. für Medizinprodukte oder Start-ups sollten weiterhin die Bewertungskriterien der gutachterlichen Seite kennen und entsprechend antizipieren, hier betonte er insbesondere die gesundheitsökonomischen und evidenzbasierten Grundlagen.

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© TU Ilmenau

Erfahrungen mit Antragstellung zur Erprobung von Telepflege

Annabelle Woods und Oliver Schiefer von der Technikwerk GmbH berichteten über ihre „Erfahrungen aus den Antragstellungen gem. §125a SGB XI und Überlegungen zur Aufnahme in das DiPA-Verzeichnis der Caro-Lösung“. Im Projekt CARO ("CAre Reflection Online") – Teil der BMBF-Transferkampagne "Digitale Medien im Ausbildungsalltag" – wurde eine innovative, computergestützte, fallbasierte, multimediale und kooperative Lernumgebung für die Pflegeausbildung entwickelt.

Woods und Schiefer erläuterten, dass Forschende unmittelbar nach erfolgreicher Erprobung einer Lösung im Rahmen der Nutzenbewertung die Aufnahme als pflegerische Innovation in das DiPA-Verzeichnis beantragen könnten. Der GKV-Spitzenverband informiere insgesamt sehr ausführlich über den Antragstellungsprozess gem. §125a SGB XI. Das komplexe Antragsdokument erfordere im Vorfeld das vollständige Durchdenken des Vorhabens. Verlangt sei auch ein Konzept zur Verwendung der Fördermittel. Die Fördermittel würden dann ausschließlich für die Erprobungs- und Evaluationsphase gewährt.

Zur Erprobung und Umsetzung sollten Forschende alle relevanten Akteure im Pflege- und Versorgungsprozess einbeziehen. Zur Aufnahme in das entsprechende DiPa-Verzeichnis müssten die Referenzkriterien wie etwa die Unterstützung von professionell Pflegenden und Zu- und Angehörigen benannt werden. Die Evaluation müsse ein Alleinstellungsmerkmal der Lösung, die individuelle Stärkung der Autonomie von Pflegebedürftigen bei der Nutzung und eine durch sie verbesserte soziale Integration der Pflegebedürftigen über die Sektorengrenzen nachweisen.

FAZIT

Die Veranstaltung zeigte, wie komplex das Thema der Transferabilität von Forschungsergebnissen in die Praxis ist und wie vielfältig die Gesichtspunkte sind, die dabei berücksichtigt werden müssen. Sofern jedoch von vornherein mit der anschließenden Forschungsverwertung geplant und diese entsprechend vorbereitet wird, bieten die unterschiedlichen Verzeichnisse einen Weg zur Verstetigung der Projekte. Für eine Aufnahme in diese, so hat die Veranstaltung noch einmal klargestellt, sind der Mehrwert für Betroffene und deren Bedarfe ganz im Sinne der partizipativen Technologieentwicklung maßgebend.