Interview mit Prof. Johanna Kißler: Hirngeschädigte Patienten müssen ihre grundlegenden Bedürfnisse mitteilen können

Frau Professor Dr. Johanna Kißler arbeitet an der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft der Universität Bielefeld. Mit dem Projekt NeuroCommTrainer soll Menschen geholfen werden, die aufgrund eines Unfalls oder Schlaganfalls eine schwere Hirnschädigung erlitten haben.

 

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© Universität Bielefeld

Jährlich sind in Deutschland mehrere tausend schwere Hirnschädigungsfälle zu beklagen. Häufig ist eine zielgerichtete Therapie für diese Patientinnen und Patienten nur sehr eingeschränkt möglich. Frau Professor Dr. Johanna Kißler, Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft an der Universität Bielefeld, spricht im Interview mit uns über ein neues Trainingssystem, mit dem Patienten ihre eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten trainieren und nutzen können. Das Interview wurde im Dezember 2019 geführt.

Frau Professor Kißler, was ist Ihr Ziel im Projekt NeuroCommTrainer?

Wir entwickeln ein Trainings- und Kommunikationssystem für schwersthirngeschädigte Menschen. Wir möchten Pflegebedürftigen, die durch ihre Hirnschädigung die Fähigkeit zu kommunizieren verloren haben oder bei denen diese äußerlich nicht erkennbar ist, damit wieder in einen Zustand versetzen, in dem sie grundlegende Bedürfnisse mitteilen können. Hierfür verwenden wir physiologische Signale von Gehirn und Körper.

Was ist in Ihren Augen die Dringlichkeit, auf diesem Gebiet zu forschen?

Jährlich sind in Deutschland mehrere Tausend schwere Hirnschädigungsfälle mit dauerhaftem Verlust von erkennbarem Bewusstsein und Kommunikationsfähigkeit zu beklagen. Die Anzahl der Betroffenen steigt aufgrund des intensivmedizinischen Fortschritts. Wir möchten die Situation dieser Pflegebedürftigen und ihres Umfelds verbessern und die großen pflegerischen, psychosozialen und ethischen Herausforderungen adressieren.

Was konnten Sie im Projekt neu erforschen und entwickeln?

Im NeuroCommTrainer Projekt haben wir eine neuartige, miniaturisierte und lange tragbare Stimulations- und Aufzeichnungstechnologie entwickelt. Unsere Form der Signalanalyse ermöglicht zudem eine fortlaufende automatische Adaptation der Technologie auf den Zustand ihrer Träger. So erhalten wir ein neuartiges, mitlernendes Konzept zur Stimulation und Entwicklung der Fähigkeiten schwer hirngeschädigter Patienten und in Richtung basaler Kommunikation.

Was sind die nächsten Schritte auf dem Weg der Lösung in die Pflegepraxis?

Nachdem es in den vergangenen 2,5 Jahren gelungen ist, die Technologie zu entwickeln und ausgewählte Betroffene sehr gut kennenzulernen und zu charakterisieren, stehen die entscheidenden Feldtests noch aus. Wir starten nun eine kritische Phase, in der wir den Einsatz der neuen Technologie intensiv erproben und ihre Verwendbarkeit für Betroffene und Pflegende optimieren werden. 

Was ist Ihre Vision für die nächsten 20 Jahre?

Wir möchten auf der Grundlage der nunmehr bestehenden NeuroCommTrainer Plattform ein multimodales Stimulations- und Assistenzsystem für verschiedenste Erkrankungen und alle Phasen der neurologischen Rehabilitation entwickeln, das sowohl Betroffene als auch Pflegende in ihrem Alltag unterstützt.

Weitere Informationen

Projektsteckbrief NeuroCommTrainer