Gesprächsrunde

Das Wechselspiel zwischen KI- und Hirnforschung

Mit dem Sieg des Google-Programms AlphaGo im März 2016 wurde erstmalig einer der besten Go-Spieler der Welt von einem Computer besiegt. Lange Zeit galt das Meistern des Spiels Go als zu komplex für ein Computerprogramm. Doch was bedeutet dieser große Meilenstein der Maschinenintelligenz für die künftige Forschung? Diese und weitere spannende Fragen diskutierten der Philosoph Klaus Mainzer, der Hirnforscher und Psychologe Ernst Pöppel und der Neuroinformatiker Helge Ritter.

Gesprächsrunde über die Zukunft intelligenter Maschinen mit Prof. Ritter, Prof. Pöppel und Prof. Mainzer,
durchgeführt von Dieter Beste und Marion Kälke
Gesprächsrunde über die Zukunft intelligenter Maschinen mit Prof. Ritter, Prof. Pöppel und Prof. Mainzer, durchgeführt von Dieter Beste und Marion Kälke© Géza Aschoff

Die Gesprächsrunde knüpfte an ein Interview aus dem Jahr 1997 an, das in der Zeitschrift „Spektrum der Wissenschaft“ veröffentlicht wurde. Anlass des damaligen Gesprächs war der Sieg des IBM-Computers Deep Blue über den Schachweltmeister Garri Kasparow. Nach 20 Jahren kamen die drei Wissenschaftler sowie die beiden Wissenschaftsjournalisten Marion Kälke und Dieter Beste auf dem 3. Zukunftskongress in gleicher Runde erneut zusammen, um ihr Gespräch über die Entwicklungen und Perspektiven in der KI- und Hirnforschung fortzuführen.

Im Mittelpunkt stand unter anderem die Frage, ob die rasante Entwicklung von KI-Systemen sowie der Informationsgesellschaft als Ganzes vor 20 Jahren absehbar war. Im Rückblick überraschend empfand Klaus Mainzer das exponentielle Wachstum der Rechenkapazität sowie der anfallenden Datenmengen. 2017 war es einer KI erstmals möglich, ein Pokerspiel gegen Menschen zu gewinnen. Da Poker ein Spiel mit unvollständigen Variablen ist, ging man zuvor davon aus, dass KI-Systeme noch weit von Siegen über menschliche Spieler entfernt seien. Die Rechenleistung der Supercomputer von heute mache es aber möglich, so Mainzer, die KI millionenfach gegen sich selbst spielen und dabei lernen zu lassen. So kann sie schließlich kommende Spielzüge des Gegners einplanen.

Helge Ritter meinte auch, dass ihn vor allem die Datenmengen, die heute zur Verfügung stehen, überrascht haben. Erst diese Ausgangslage in Verbindung mit viel besseren Mustererkennungs-Algorithmen mache das maschinelle Lernen möglich. Ernst Pöppel hingegen zeigte sich in der Rückschau wenig beeindruckt von Künstlichen Intelligenzen. Während die Forschung versuche, menschliches Denken und Handeln zu simulieren, so Pöppel, habe die Neurowissenschaft bis heute kein umfassendes Verständnis der Vorgänge im Gehirn erlangt. Pöppel kritisierte daher das Ableiten von Erkenntnissen aus der Hirnforschung für die KI-Programmierung, solange wichtige Fragen der natürlichen Intelligenz immer noch nicht zufriedenstellend geklärt seien. Ritter zog den Vergleich, dass die Evolution bei Künstlicher Intelligenz gerade erneut durchlaufen wird, während die Natur dafür viele Millionen Jahre Zeit hatte. Abschließend konstatierte der Journalist Dieter Beste mit den Worten des theoretischen Physikers Stephen Hawking, dass „Intelligenz die Fähigkeit ist, sich dem Wandel anzupassen.